Die Aufarbeitung des Anlageskandals rund um die Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung (BWF-Stiftung) geht in die nächste Runde. Nachdem mehrere betroffene Anleger Klagen gegen ihre Vermittler der betrügerischen Goldanlage eingereicht haben, sind erste Urteile von unterschiedlichen Landgerichten bekannt geworden. Tenor der Urteilsbegründungen: Den Vermittlern hätte die Unplausibilität des Angebotes auffallen müssen. Zudem wurden die hohen Kosten der Anlage entgegen der rechtlichen Anforderungen verschwiegen.
„In den uns vorliegenden Fällen haben die Vermittler den Anlegern als besondere Sicherheit der Kapitalanlage den direkten Eigentumserwerb an den Gold besonders herausgestellt. Rechtlich war dieser Eigentumserwerb allerdings aus mehreren Gründen nicht möglich. Zum einen gab es keine eindeutige sachenrechtliche Zuordnung des Goldes in der Sammelverwahrung, zum anderen sah die Vertragskonstruktion der BWF-Stiftung ja eine Sachdarlehensgewährung vor, bei der das Eigentum jedenfalls auf den Darlehensnehmer wieder übergeht. Das wäre hier die BWF-Stiftung gewesen. Diese wiederum wollte das Gold weiter verkaufen an Goldschmiede und verarbeitendes Gewerbe zur Weiterverwendung. Spätestens auf dieser Ebene wäre dann das Eigentum an dem Gold auf den Goldschmied oder dessen Kunden übergegangen. Das Argument der Sicherheit durch Eigentumserwerb der Anleger persönlich war damit von Anfang an vollkommener Humbug“, teilt eine auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei mit, der sich intensiv mit dem BWF-Angebot auseinandergesetzt hat.
Die involvierten Anwälte weisen auch darauf hin, dass durch die vom Insolvenzverwalter Sebastian Laboga auf der Gläubigerversammlung mitgeteilten Provisionsquoten von bis zu 20 Prozent (!) des Kaufpreises die Einhaltung des garantierten Rückkaufsversprechens durch die BWF-Stiftung vollkommen unplausibel gewesen ist. Denn zunächst einmal musste BWF durch den angeblichen Handel mit dem Gold der Kunden diese Kosten wieder hereinholen, um dann bspw. bei dem Modell ‚Gold Standard‘ binnen 8 Jahren einen weiteren Gewinn von 80 Prozent des Kaufpreises zu erwirtschaften. Im Ergebnis läuft dies auf eine Verdoppelung des Kaufpreises in nur 8 Jahren hinaus, was gegen jede wirtschaftliche Vernunft spricht und daher kein seriöser Kaufmann zusichern würde.
Plausibilitätsprüfung durch den Vermittler
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) sind Kapitalanlagenvermittler grundsätzlich verpflichtet, die Plausibilität eines angebotenen Kapitalanlagenmodells zu überprüfen und die Angaben des Produktgebers zu hinterfragen. Einmal abgesehen von der Frage, ob das Modell der BWF-Stiftung gegen behördliche Genehmigungspflichten verstieß, wäre schon die versprochene Traum-Rendite Grund genug, an der Seriosität des Angebotes zu zweifeln. Trotzdem haben die Vermittler Anleger sogar dazu aufgefordert, bestehende Kapitalanlagen aufzulösen, um sich auf das Betrugsgeschäft der BWF-Stiftung einzulassen. Bei einer ordnungsgemäß vorgenommenen Plausibilitätsprüfung hätte jedem seriösen Vermittler auffallen müssen, dass das Modell ein unrealistisches Finanzmärchen ist.
Nach den Feststellungen des Insolvenzverwalters haben ca. 900 Vermittler die Schwindelverträge an ca. 6.500 Anleger vermittelt. Statistisch gesehen hat also jeder Vermittler 7 bis 8 Verträge vermittelt. Die Durchschnittswerte der Verträge liegen bei ca. 20.000 Euro, so dass auf jeden Vermittler ein potentieller Schadensumfang von 160.000 Euro zukommen könnte. Bei dieser statistischen Betrachtung erscheint es durchaus möglich, dass die involvierten Vermittler im Falle einer Verurteilung die Schadenersatzansprüche ihrer Kunden voll bedienen können. Insofern erscheint eine Inanspruchnahme der Vermittler durch die betroffenen BWF-Opfer durchaus sinnvoll.
Perfide Haftungsvermeidungs-Strategien
Im Internet wird im Zusammenhang mit dem BWF-Skandal verschiedentlich von Rechtsanwälten behauptet, Schadenersatzansprüche gegen Personen, die am BWF-Konzept oder der Gestaltung der Stiftung mitgearbeitet hätten, seien am erfolgversprechendsten. Einzelne Anwälte gehen sogar davon aus, dass Anleger und Vermittler gemeinsame Geschädigte des Betrugsmodells geworden sind. Zu beobachten ist auch, dass Anwälte den Mandanten Vollmachten vorlegen, die sich auf sämtliche Schadenersatzansprüche erstrecken, Ansprüche gegen die Vermittler aber explizit ausklammern.
Schon seit vielen Jahren ist am grauen Kapitalmarkt folgende Haftungsvermeidungs-Strategie zu beobachten: Sobald der Schadensfall eingetreten ist, werden die Anlageberater und Vermittler, die dem Anleger die ruinöse Kapitalanlage angedreht haben, aktiv und suchen die Kooperation mit – meist eher halbseidenen – Anlagekanzleien. In einigen Fällen werden Interessengemeinschaften gegründet, die hauptsächlich von Rechtsanwälten moderiert werden und vorrangig dem Ziel dienen, möglichst viele Mandanten zu bündeln. Der nächste Schritt besteht dann darin, dass der von den Vermittlern kontaktierte Rechtsanwalt eine angeblich sinnvolle Strategie zur Führung von Schadenersatzprozessen entwirft und die Anleger in zeit- und nervenaufreibende Prozesse führt – selbstverständlich nicht gegen die Vermittler und Berater, mit denen der Rechtsanwalt ja kooperiert. Ein gerichtliches Verfahren gegen die vermeintlich erfolgversprechenden Verantwortlichen auf Initiatoren Seite dauert im Regelfalle über zwei Instanzen gut und gerne drei Jahre, so dass Schadensersatzansprüche gegen den Vermittler nach Abschluss des „Scheinprozesses“ gegen Initiatoren und Hintermänner meist verjährt sind. Dass die Rechtsprechung Schadenersatzansprüche gegen Vertriebsgesellschaften und Anlagenberater wesentlich einfacher zuerkennt als vermeintliche Ansprüche gegen Initiatoren und deren Hintermänner, wird von den mit Vermittlern kooperierenden Rechtsanwälten meist verschwiegen. Wir haben diese unseriöse Praxis bereits wiederholt thematisiert – unter anderem hier —> https://finanzscout.wordpress.com/2009/05/19/nieten-in-schwarzen-roben-2/
Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout
Klaus J. P.-Kilfitt