Versicherungsnehmer können aufgrund mehrerer erfreulicher Entscheidungen sowohl des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als auch des Bundesgerichtshofs (BGH) einen Widerspruch erklären und so eine Rückabwicklung ihrer Kapitallebensversicherung (KLV) erreichen. Ggf. kommt anstelle eines Widerspruchs auch ein Rücktritt in Betracht.
Der BGH hat seit 2013 in mehr als 20 Verfahren (zuletzt mit zwei Urteilen vom 8. April 2015, Az. IV ZR 103/15 u. IV ZR 494/14) entschieden, dass bei Lebensversicherungsverträgen ein Widerspruch auch noch Jahre nach dem Abschluss der Versicherung erklärt werden kann, wenn der Versicherungsnehmer nicht ausreichend belehrt wurde und/oder keine ausreichenden Vertragsunterlagen erhalten hat. Eine gesetzliche Regelung, nach welcher der Widerspruch ein Jahr nach der ersten Prämienzahlung ausgeschlossen sein sollte, kommt nach den Entscheidungen des EuGH und des BGH nicht mehr zur Anwendung.
Weiter hat der BGH inzwischen mehrfach entschieden, dass der Widerspruch auch dann noch erklärt werden kann, wenn die Versicherung bereits gekündigt wurde und ein Rückkaufswert ausgezahlt wurde.
Das Widerspruchsrecht ist insbesondere für jene Versicherungsnehmer von Interesse, die aufgrund einer schlechten Entwicklung der Versicherung, etwa bei Fondsgebundenen Lebensversicherungen (FLV), geschädigt wurden. Denn der Widerspruch kann im Ergebnis zu einer zumindest akzeptablen Verzinsung der geleisteten Beiträge führen.
Die Entscheidungen des BGH betreffen Lebens- und Rentenversicherungsverträge (KLV / RV) sowie Fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen (FLV), die zwischen 1995 und 2007 nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurden.
Bei diesem musste die Versicherung dem Antragsteller die wesentlichen Vertragsunterlagen nicht bereits mit der Antragstellung überlassen, sondern der Versicherungsvertrag kam wirksam zustande, wenn die Versicherung dem Antragsteller die Police mit den wesentlichen Vertragsunterlagen zuschickte und Versicherungsnehmer dem nicht innerhalb von 14 Tagen widersprach.
Voraussetzung ist, dass die Versicherung dem Antragsteller die erforderlichen Unterlagen nicht bereits bei Antragstellung zur Verfügung gestellt hat und die Überlassung der Unterlagen und/oder die Belehrung dann später nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.
Ob ein Widerspruchsrecht noch besteht, lässt sich am besten anhand der mit dem Versicherungsantrag überlassenen Unterlagen und des Schriftverkehrs mit der Versicherung im Zusammenhang mit der Übersendung des Versicherungsscheins (Police) klären.
In Folge des Widerspruchs endet der Versicherungsvertrag und wandelt sich in ein Rückgewährsschuldverhältnis. Dabei sind die jeweils erbrachten Leistungen zurück zu gewähren. Der Versicherungsnehmer hat dann einen Anspruch auf Rückzahlung der erbrachten Beiträge zzgl. einer Nutzungsentschädigung. Anzurechnen ist der Wert des Versicherungsschutzes bis zur Erklärung des Widerspruchs bzw. bis zur Kündigung, wenn der Vertrag zuvor bereits gekündigt wurde. Für dessen Bemessung ist der Betrag zugrunde zu legen, den eine reine Risikolebensversicherung (RLV) gekostet hätte. Die auf eine solche entfallenden Prämien sind nur marginal. Bei gekündigten Verträgen ist natürlich auch der bereits ausgekehrte Rückkaufswert in Abzug zu bringen.
Als Nutzungsentschädigung für die eigenen Beitragszahlungen kommt der gesetzliche Verzugszins in Betracht, der seit Mai 2000 bei 5 Prozentpunkten über dem Basiszins liegt.
Ob ein Widerspruch oder ein Rücktritt (noch) erklärt werden kann und sinnvoll ist, sollte im Rahmen einer Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt erörtert werden.
Über die nunmehr endlich höchstrichterlich gestärkten Verbraucherrechte bei Lebens- und Rentenversicherungen berichteten wir bereits hier:
–> https://finanzscout.wordpress.com/2014/07/14/zeitlich-unbefristetes-widerspruchsrecht-bei-lebens-u-rentenversicherungen/
Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout
Klaus J. P.-Kilfitt